Im Einzelfall hohe sechsstellige Rückzahlungsansprüche

Geld zurück für falsche Mautberechnung

Es gibt Geld zurück. Und für manches Logistikunternehmen dürfte dabei sogar ein recht beträchtliches Sümmchen herausspringen. Denn es geht um die Maut auf bundesdeutschen Straßen und die Art und Weise, wie diese berechnet wird. Der Europäische Gerichtshof EuGH hat dazu in seinem Urteil vom 28. Oktober 2020 in der Rs. C321/19 wesentliche Aussagen zur Auslegung von Vorschriften der „Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (1999/62 EG, im folgenden Wegekosten-Richtlinie)“ getroffen. Was das Urteil bedeutet, wie man an eine Rückerstattung zu viel gezahlter Maut kommt und ob beispielsweise auch Logistik-Kunden indirekt betroffen sind, versuchen wir nachfolgend zu klären.

Polnische Spedition fand Mautgebühren zu hoch

Ein kleiner Blick zurück: Ein polnisches Logistik-Unternehmen fand die Mautgebühren ganz einfach zu hoch und reichte deshalb eine Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein. Dieses wies die Klage jedoch ab. So landete der Fall im Berufungsverfahren beim zuständigen Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster. Die Richter des OVG legten dem EuGH dann in einem sogenannten Vorentscheidungsersuchen mehrere Fragen zur Auslegung der Artikel 7 und 7a der Wegekosten-Richtlinie vor. U.a. wollte man wissen, ob sich ein Mautpflichtiger gegenüber nationalen Gerichten auf die Einhaltung der Wegekosten-Richtlinie berufen kann und ob auch die Kosten für die Verkehrspolizei in die Mautgebühren mit einfließen können. Nicht zuletzt sollte der EuGH beantworten, ob eine Kostenüberschreitung durch eine im gerichtlichen Verfahren nachgereichte Neuberechnung korrigiert werden könne.

Einbeziehung der Kosten für die Verkehrspolizei unzulässig

Im Urteil vom 28. Oktober 2020 folgte der EuGH im Wesentlichen den Argumenten des OVG Münster. Es verneinte insbesondere die Einbeziehung von Kosten für die Verkehrspolizei. Solche Polizeikosten seien keine zulässigen Betriebskosten im Sinne von Art. 7 Abs. 9 der Wegekosten-Richtlinie. Diese Regelungen verlangten, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren nur Kosten im Sinne des Art. 7 Abs. 9 berücksichtigt werden können, wie z.B. Baukosten oder Kosten für den Betrieb, die Instandhaltung und den Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes. Polizeiliche Tätigkeiten im Straßenverkehr fielen allein in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitlichen Befugnisse ausübe und nicht lediglich als Betreiber von Verkehrsinfrastruktur auftrete.

Im Einzelfall hohe sechsstellige Rückzahlungsansprüche

Es droht Verjährung

Grundsätzlich bedeutet das Urteil für die betroffenen Logistik-Unternehmen, dass sie alle zu viel gezahlten Gebühren zurückfordern können. Fachverbände schätzen die Höhe der jeweiligen Rückzahlungen auf ca. 4% der entrichteten Mautgebühr. Im Einzelfall können dies sogar sechs- bis siebenstellige Summen sein. Aufgrund verjährungsrechtlicher Vorschriften besteht jedoch akuter Handlungsbedarf. Zwar soll das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) die Rückforderungen abwickeln. Das geht aber nicht immer reibungslos über die Bühne und dann muss Klage eingereicht werden.

Rechtsansprüche durchsetzen

Die Durchsetzung von Rückforderungsansprüchen lässt sich auf drei unterschiedlichen Wegen erreichen. Erstens bieten verschiedene Verbände der Logistikwirtschaft die Abwicklung der Rechtsansprüche durch eigene Anwälte oder externe Anwaltskanzleien an. Infos dazu bei den Verbänden abfragen oder über das Internet recherchieren. Zweitens kann das Unternehmen den eigenen Hausanwalt oder einen auf das Thema fokussierten Anwalt für eine Rückforderung einschalten. Drittens gibt es die Möglichkeit, seine Rechtssache zunächst ohne anwaltliche Hilfe selbst in die Hand zu nehmen. Im Unternehmen sollte dabei in jedem Fall ein Mitarbeiter als direkter Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Keine Anträge via Mail stellen

Anträge auf Rückzahlung via Mail sind rechtlich nicht zulässig. Der gute alte Brief oder ein Antrag via Fax gehen jedoch. Zuständig ist das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), Postfach 190180, 50498 Köln, Telefon: 0221 5776-0, Fax: 0221 5776-1777. Der Antrag kann formlos gestellt werden. Und Unterschrift nicht vergessen. Nach einer Eingangsbestätigung sollte man dem BAG für die entsprechenden Jahre eine Mautaufstellung und die dazugehörigen Kfz-Kennzeichen mitteilen.

Kundenforderungen prüfen

Bleibt zunächst noch eine weitere – nicht ganz unwichtige – Frage: Inwieweit können Speditionskunden ebenfalls auf der Basis dieses Urteils Rückforderungen stellen? Die Antwort ist nicht ganz einfach und lässt sich eigentlich nur im Einzelfall klären. Denn die Vertragsgrundlage im Verhältnis Spedition – Kunde ist privatrechtlicher Natur und wird in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt. Da gibt es Verträge, die pauschal abgerechnet werden oder solche, bei denen die Maut vom Kunden gesondert zu zahlen ist. Am Besten ist es sicherlich, zusammen mit dem Kunden die Angelegenheit zu besprechen, um eine Einigung zu erzielen. Natürlich kann man sich auch vom Kunden verklagen lassen: Ob das gut fürs Geschäft ist, kann man an dieser Stelle sicherlich bezweifeln.

 

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