Kabinenschlafverbot – Zweiter Anlauf

Ruhe sanft … Wenn’s geht!

Für LKW-Fahrer ist es ihr Wohn- und Schlafzimmer, perfekt ausgestattet und gemütlich eingerichtet. Auf die Fahrerkabine ihres LKWs lassen die Brummi-Lenker nichts kommen. Vor allem diejenigen, die auf langen Strecken quer durch Europa „düsen“ und auf ihr „LKW-Eigenheim“ angewiesen sind. Oft genug stecken die Fahrer (oder ihr Unternehmen) viel Geld in die Ausstattung der Kabine: Es gibt TV und Internet, Mikrowelle und Grill, rückenschonende Schlafcouchen und für nachts sogar Gardinen an den Seitenfenstern. Und so wäre wohl alles in Ordnung, wenn da nicht die EU die Fahrer lieber in einem Hotelbett sehen würde und so manche Konkurrenz In der Logistik- und Speditionsbranche auf Kosten ihrer Fahrer im Wettbewerb bestehen will. Werfen wir also einmal einen Blick auf ein europäisches Reformvorhaben namens „Kabinenschlafverbot“.

Jetzt sollen alle mitmachen

Einen ersten Anlauf zum Thema „Kabinenschlafverbot“ hat die EU schon vor ein paar Jahren gemacht. An die Regelungen hielt sich allerdings nur Frankreich, das strenge Kontrollen durchführte. Alle anderen Länder – auch Deutschland – taten sich schwer und legten das Thema aus den verschiedensten Gründen ad acta. 2017 allerdings urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Fernfahrer ihre wöchentliche Ruhezeit nicht in der Kabine verbringen dürfen. Das Gericht mahnte deshalb Änderungen der bisherigen Regelungen an. Die Reaktion der EU ist nun das sogenannte „mobility package“, das im Juni 2020 vom EU-Parlament verabschiedet wurde. Das Gesetzespaket sieht u.a. Regelungen zu den Arbeitsbedingungen oder zum Mindestlohn für alle vor. Die EU-Verordnung zum Kabinenschlafverbot am Wochenende soll spätestens im Laufe 2021 Jahr in Kraft treten und muss dann von allen EU-Staaten umgesetzt und kontrolliert werden. Die weiteren Regelungen des Gesetzespaketes werden nach und nach bis zum Jahr 2026 umgesetzt werden.

Am Wochenende = Hotel oder Mama

Für die Fahrer ist das „Kabinenschlafverbot“ besonders einschneidend: Sie dürfen am Wochenende nicht mehr in ihren Fahrzeugen übernachten. In der Woche oder am Ende einer Tour, dürfen sie sich immer noch einen Platz auf der Raststätte suchen. Aber die vorgeschriebene Ruhezeit von 45 Stunden sollen sie im Hotel oder in einer Pension verbringen. Damit will man Missstände auf den überfüllten Rastplätzen in den Griff bekommen, so die Begründung der EU-Verkehrsminister. Wie man denn nun wirklich die seit langem bekannten Probleme an Raststätten oder Parkplätzen in den Griff bekommt, wusste man aber auch nicht. Findige Geschäftsleute präsentierten jedenfalls zum „Kabinenschlafverbot“ schon ein paar Lösungen. Zum Beispiel der Anbieter einer Web-Seite, der den Fahrern gezielt „preiswerte“ Monteurwohnungen anbietet. Oder zwei Düsseldorfer Unternehmer, die die Fahrer in ausgedienten Containern zum Schlaf bitten wollen.

Kabinenschlafverbot – Zweiter Anlauf

Gut gemeint – praktisch unmöglich

Was gut gemeint ist, erweist sich in der Praxis als kaum durchführbar. Denn woher all die Hotelzimmer nehmen, die dann auch noch an der Strecke liegen und bezahlbar sein sollen. Da sind die Grenzen schnell erreicht. Selbst Low-Budget-Hotels sind da noch zu teuer. Auch Fragen wie, ob denn beim oder in der Nähe des Hotels der LKW geparkt werden darf und ob die Fracht während der Übernachtung ge- und versichert ist, sind beispielsweise nicht geklärt.

Wer soll das bezahlen?

Ebenfalls nicht eindeutig geklärt ist, wer denn nun all die Kosten übernimmt und bezahlen soll. Gefragt sind da natürlich in erster Linie die Spediteure. Aber die wehren sich mit guten Argumenten. Zwar unterstützt man die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, weist aber darauf hin, dass die verabschiedeten Regelungen nicht sehr durchdacht seien. Eine Überwälzung der Kosten auf die Kunden sei bei dem derzeitigen harten Wettbewerb kaum möglich.

Bußgelder drohen

Also zurück auf die nach wie vor übervollen Parkplätze, wenn nichts mehr geht? Auch keine sinnvolle Lösung, denn bei Missachtung des „Kabinenschlafverbots“ drohen Bußgelder. Wird man erwischt und hat keine gute Begründung, kostet das den Fahrer 60 Euro je angefangener Stunde. Auch die Spedition muss mit einem Bußgeld von 180 Euro je angefangener Stunde rechnen, wenn sie nicht eindeutig nachweist, dass sie den Fahrer angewiesen hat, im Hotel zu übernachten.

Tägliche Ruhezeit bleibt wie bisher

Die tägliche Ruhezeit bleibt übrigens von dem EU-Verbot auch weiterhin unberührt. Fahrer können deshalb weiterhin in ihren Kabinen übernachten, sofern sie die Vorschriften zur wöchentlichen Ruhezeit nicht verletzen. Die Durchführung eines kompletten Verbots wäre zudem durchaus kompliziert, da es derzeit oft nicht nur an passenden Schlafmöglichkeiten entlang der Strecken mangelt, sondern meist auch zu wenig geeignete LKW-Parkplätze vorhanden sind.

Jetzt auch in der Schweiz

Aktuell zieht jetzt auch die Schweiz bei der Regelung der Ruhezeiten für LKW-Fahrer nach. Wie in der EU ist es künftig auch in der Schweiz untersagt, die reguläre wöchentliche Ruhezeit in der Fahrzeugkabine zu verbringen. Gelten soll das Gesetz ab dem 1. Januar 2022.

 

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